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SPIEGEL
ONLINE - 09. Januar 2006, 11:54
Sprit aus Stroh
Volkswagen will Bio-Kraftstoff
produzieren
Aus Abfallprodukten vom Acker will Volkswagen Biosprit herstellen. Gemeinsam
mit Shell und der kanadischen Biotech-Firma Iogen planen die Wolfsburger eine
Produktionsanlage in Deutschland zur Herstellung von Ethanol aus Zellulose.
Detroit - Volkwagen kündigte gemeinsam mit Shell und Iogen am Sonntag auf der
Automesse in Detroit an, die wirtschaftliche Machbarkeit der Herstellung von
Zellulose-Ethanol in Deutschland prüfen zu wollen. VW-Chef Bernd Pischetsrieder
sagte, er rechne bis April mit einer Entscheidung. Dann könne 2007 ein Ethanol-Werk
die Arbeit aufnehmen. Der mögliche Standort eines Werkes sei noch unklar.
Der kanadische Biotechnologie-Unternehmen Iogen ist spezialisiert auf die Herstellung
von Biokraftstoffen der zweiten Generation. Dieser wird aus der ganzen Pflanze
und nicht nur aus Teilen wie bisher bei Raps oder Zuckerrüben gewonnen. Dadurch
ist der Ertrag aus beispielsweise einem Rapsfeld um ein Vielfaches höher. "Die
Kombination von Biokraftstoffen der zweiten Generation und fortschrittlichen
Kraftstoff- und Antriebstechnologien stellt einen Quantensprung in Sachen Umweltverträglichkeit
dar", so Pitschetsrieder in Detroit.
Iogen verwendet für die Ethanol-Produktion Zellulose-Abfall aus landwirtschaftlicher
Produktion zum Beispiel Maisstroh und Getreide. Der Biokraftstoff könne bei
derzeitiger Motorentechnologie bis zu zehn Prozent herkömmlichem Treibstoff
beigemischt werden, sagte der VW-Chef. Er kann den Angaben zufolge in derzeit
erhältlichen Automobilen eingesetzt werden und reduziert die CO2-Emissionen
um 90 Prozent gegenüber herkömmlichen Kraftstoffen.
Sundiesel aus Sachsen
Die Autohersteller sind an alternativen Kraftstoffen sehr interessiert, zum
einen weil die Verbraucher zunehmend nach Alternativen zum teuren Benzin nachfragen,
zum anderen setzt die Europäische Union der Industrie unter Druck. Die Hersteller
könnten nur mit einem "integrierten Ansatz, der Motorentechnologie, Kraftstoffeigenschaften,
aber auch Verbraucherverhalten einschließt," die künftigen Anforderungen
der Europäischen Union erfüllen, sagte Pischetsrieder.
Die EU will mit einem Stufenplan erreichen, dass mehr Biokraftstoff eingesetzt
wird. EU-weit wurde das Ziel von zwei Prozent Bio-Anteil am Kraftstoffverbrauch
2005 nach Angaben der Kommission verfehlt, in Deutschland aber erreicht. Bis
2010 soll der Biokraftstoff-Anteil in der EU knapp sechs Prozent erreichen.
Schon seit August ist der britisch-niederländische Ölkonzern Shell an dem Freiberger
Biosprit-Unternehmen Choren beteiligt. Shell und Choren wollen bis 2007 eine
Versuchsanlage mit einer Kapazität von 15.000 Tonnen jährlich errichten. Auch
Choren hat eine Technik entwickelt, um aus landwirtschaftlichen Abfällen, Holz
oder anderen organische Stoffen synthetische Dieselkraftstoff zu entwickeln.
Der sogenannte Sundiesel wurde bereits erfolgreich von Volkswagen und DaimlerChrysler
getestet, die beide an den Forschungen und der bisherigen Pilotanlage des sächsischen
Unternehmens beteiligt sind. |